Mehr Platz fürs Rad
In deiner Stadt fahren immer mehr Menschen mit dem Fahrrad, aber ordentliche Fahrradbügel sind trotzdem noch rar? Häufig schließen die Leute ihre Räder notgedrungen an Laternenmasten, Straßenschildern und Zäunen an und behindern Passanten auf den Gehwegen. Autos dagegen stehen ganz selbstverständlich große Flächen zum Parken zur Verfügung. Dabei können Kommunen Auto- in Fahrradparkplätze umwandeln. Dass sie es tatsächlich tun, dafür kannst auch du mit etwas Recherche und einem Schreiben an die Behörden sorgen.
Von Ole Kamm (VCD)
Materialliste
- Computer oder Schreibmaschine
- Papier, Briefumschlag und Briefmarke
- Fotokamera
Schritt für Schritt
Orte, an denen man sein Fahrrad sicher und komfortabel anschließen kann, sind in den meisten Städten Mangelware, während für Autos ganz selbstverständlich Flächen zum Parken zur Verfügung stehen. Viele Kommunen bieten die Möglichkeit an, Fahrradbügel auf Autoparkplätzen zu installieren. In Leipzig beispielsweise können Anwohner oder Händler für ihre Straße beantragen, dass die Stadt Fahrradparkanlagen im öffentlichen Raum einrichtet – allerdings auf Kosten des Antragstellers. Die Stadt Bremen übernimmt dagegen selbst die Kosten für die Fahrradbügel und verlangt lediglich einen formlosen Antrag. Auch in anderen Städten lässt sich mithilfe eines Schreibens an die zuständige Behörde viel bewegen. Bevor die Bügel jedoch gebaut werden, prüfen die Städte den Bedarf vor Ort. Gründe für eine Ablehnung könnten unter anderem eine zu schmale Fahrbahn sein oder dass es genug Platz auf dem eigenen privaten Grundstück oder den Gehwegen gebe oder dass die Bügel die Feuerwehr behindern. Es kommt also auf eine gute Argumentation an, die Stadt zu ihrem Glück zu zwingen.
1 – Gute Argumente sammeln
Erkennt eine Kommune den Bedarf an mehr Fahrradständern an, wird sie zunächst versuchen ihn auf „geeigneten Flächen“, wie Gehwegen direkt am Haus oder am Bordstein, zu decken. Warum nicht auf Autoparkplätzen? Weil die Straßenverkehrsbehörde verkehrsbeschränkende Maßnahmen nur aus den in § 45 StVO genannten Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs anordnen darf (mehr dazu unter „Rechtliches“). Das heißt im aktuellen verkehrspolitischen Klima in Deutschland: Autos müssen fahren, Autos müssen parken können. Im Einzelfall und wenn nur so eine Gefährdung des Fußverkehrs vermieden oder gemindert werden kann, können auch Fahrradständer im Fahrbahnbereich geschaffen werden. Sicherheit ist also ein guter Ansatz, um für Fahrradbügel auf Parkplätzen zu argumentieren. An der Stelle, wo du Fahrradbügel auf dem Parkplatz anregen möchtest, solltest du einige Dinge checken, die du dann für deine Argumentation gegenüber den Behörden nutzen kannst:
- Wie viele Fahrräder ungeordnet an Laternenpfählen etc. abgestellt sind, bietet ein Indiz für den Bedarf an Fahrradbügeln
- Können Fußgänger den Gehweg komfortabel benutzen, ohne auf die Fahrbahn ausweichen zu müssen?
- Können entgegenkommende Fußgänger einander passieren? Wie ist es mit Rollstuhlfahrern und Kinderwagen?
- Parken Autos am Bordstein, sodass querende Fußgänger von Autofahrern nur spät gesehen werden? Besonders im Kreuzungsbereich wird es hier äußerst gefährlich.
- Wie groß ist überhaupt der Bedarf der Anlieger an Autoparkplätzen? Mit einer Umfrage und Unterstützung von anliegenden Schulen, Vereinen, Händlern kannst du den Bedarf an Fahrradbügeln noch deutlicher machen.
2 – Unterstützung suchen
Es ist immer gut, wenn du für deine Aktionen Unterstützung findest. Das gilt umso mehr, wenn du Autofahrern ihre Parkplätze wegnehmen willst. Versuche, Seniorenvereine, Jugendeinrichtungen, Einzelhändler mit ins Boot zu holen. Sie können dir bei deiner Argumentation helfen und geben deinem Vorhaben als zusätzliche Absender noch mehr Gewicht.
3 – Schreiben an die Behörde
Im Antrag an die zuständige Straßenverkehrsbehörde der Kommune solltest du dich und deine Mitstreiter zunächst vorstellen. Gehe dabei auch auf dein berechtigtes Interesse an mehr Fahrradbügeln in deiner Nähe ein. So wird dein Antrag authentisch und plausibel. Gehe dann auf die Vorteile des Radverkehrs für die Kommune ein: Radfahrerinnen sparen einer Stadt viele Kosten, da sie weniger Straßenraum beanspruchen als Autos, die Straße weniger abnutzen, keinen kostenaufwändigen Parkraum benötigen und nicht zur Luftverschmutzung beitragen. Formuliere konkret, in welcher Straße du wie viele Fahrradbügel beantragst. Erläutere, warum sich der Gehweg nicht dafür eignet, dort Fahrradständer zu errichten. Es kann sinnvoll sein, dass du deinen Antrag auch an weitere Verantwortliche der Stadtverwaltung sowie an die verkehrspolitischen Sprecher aller Fraktionen in der Bürgerversammlung schickst. So gibst du deinem Anliegen erneut das nötige Gewicht. Zur Inspiration findest du hier oder unten in den Downloads ein Musterschreiben des VCD-Projekts »Mehr Platz fürs Rad«.
4 – Auf Gegenwind einstellen
Autoparkplätze sind für viele Menschen ein emotionales Thema. Daher kann es sein, dass du mit deinem Antrag bei anderen Anwohnern auf Gegenwind stößt – selbst und gerade, wenn die Stadt die Fahrradbügel längst auf einem Parkplatz aufgestellt hat. Die Stadt Bremen hatte beispielsweise im Rahmen ihrer Fahrradförderung Bügel auf öffentlichen Straßen zu Lasten von Kfz-Parkplätzen eingerichtet und musste sich dann mit den Klagen unzufriedener Anlieger auseinandersetzen. Umso wichtiger ist es, sich schon bei Antragstellung auf die Sicherheit und Passierbarkeit von Gehwegen zu berufen und konstruktiv mit der Stadt zusammenzuarbeiten.
Rechtliche Fragen
Städte können Flächen auf der Fahrbahn, wie Autoparkplätze, in der Regel nur im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage der Straßenverkehrsordnung in Stellplätze für mehrere Fahrräder umwandeln. Die Straßenverkehrsbehörde darf verkehrsbeschränkende Maßnahmen nur aus den in §45 StVO genannten Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs anordnen. Die Maßnahme muss zur Abwendung oder Minderung einer Gefahr erforderlich und geeignet sein.
Die Eingriffsnorm des §45 Abs. 1 Satz 1 StVO ist keine geeignete Grundlage für Verkehrsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Fahrradparkplätzen im Interesse einer Förderung des Verzichts auf das Kfz zugunsten des Fahrrades. Es bleibt also das Ziel, durch fest eingebaute oder mobile Fahrradständer den Bedarf auf geeigneten Flächen zu decken. Dies können Gehwegflächen direkt am Haus oder im Gehwegstreifen am Bord sein. Dabei müssen ausreichend Bewegungsflächen freibleiben.
Im Einzelfall und wenn nur so eine Gefährdung des Fußgängerverkehrs vermieden oder gemindert werden kann, können auch Fahrradabstellplätze im Fahrbahnbereich geschaffen werden.
Beachte bitte, dass wir hier keine Rechtsberatung anbieten.
Unsere Hinweise sollen Orientierung geben und sind ohne Gewähr und Rechtssicherheit.
Du solltest vor allem bei speziellen, individuellen Fragen einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin konsultieren.
Tipps & Tricks
- Tipp 1:
- KONSENS SCHAFFEN
Je mehr Menschen hinter deiner Idee stehen, Fahrradbügel auf Autoparkplätzen einzurichten, desto leichter wird es dir gelingen. Organisiere Infoveranstaltungen und Aktionen, um die Anwohner in deiner Straße zu überzeugen.
- Tipp 2:
- UNTERSTÜTZUNG VON DER VCD-ORTSGRUPPE
Wenn du dich auch mit dieser Anleitung unsicher auf dem Weg zu mehr Fahrradbügeln fühlst, kannst du Kontakt zum VCD in deinem Ort aufnehmen. Unsere Aktivisten arbeiten dort ehrenamtlich und mit viel Leidenschaft für die Verkehrswende. Mit Sicherheit helfen sie dir gerne.
Links und Quellen
Beispiele für gute Radverkehrsförderung in den Kommunen
https://fahrradfoerderung.vcd.org/startseite/