Die beste Kamera ist die, die du gerade dabei hast.
Wer die Straße zurückerobert, sollte auch dafür sorgen, dass andere Menschen von der Aktion erfahren: Tue Gutes und rede davon! Das geht nicht nur mit einer Pressemitteilung und tollen Bildern. Gerade für Facebook, Twitter und Co. bietet sich ein dynamisches Video an. Was man dazu braucht, haben die meisten längst in der Hosentasche: das eigene Smartphone.
Von Ole Kamm (VCD)
Materialliste
- Smartphone
- Smartphone-Halterung mit Fotogewinde (1/4 Zoll)
- Mikrofon (z.B. Reportermikro, Lavaliermikro, Richtmikro etc.)
- Dreibeinstativ
- Blitzschiene mit Griff
- Schnittprogramm fürs Smartphone oder den Desktop-Computer
Schritt für Schritt
Die meisten Videos werden heute mit dem Smartphone produziert – gerade privat nehmen die Menschen zahllose Videos auf, verschicken sie über ihre Social-Media-Kanäle und teilen und liken die Videos anderer. Das hat natürlich Einfluss auf die Sehgewohnheiten der Internetnutzer*innen genommen. Im schnellen Informationsdurchlauf der Sozialen Medien legen sie weniger Wert auf das Spiel mit Tiefenschärfe und spektakulären Zoom-Einstellungen als auf einen guten Inhalt mit einfachen Mitteln. Die bringt auch die Kamera eines Smartphones mit. Nichtsdestotrotz gibt es einiges zu beachten, das den Videodreh mit dem Handy erleichtert.
1 – Planung und Formate
Kamera an, draufhalten, Video drehen und irgendetwas wird dabei schon herauskommen? So kannst du natürlich vorgehen. Wenn du dir allerdings nicht vorher Gedanken machst, was du mit deinem Video erreichen willst, endet es schnell als wirre Szenensammlung in einem Gemälde von Hieronymus Bosch. Nein, am besten planst du dein Video im Vorfeld. Für verschiedene Zwecke eignen sich da verschiedene Formate. Interviews mit Passanten auf der Straße beispielsweise fangen Stimmungsbilder zu kontroversen Themen ein. Ein Experteninterview gibt Einblicke in Hintergründe und Fakten. In einem regelmäßig erscheinenden Videoblog kannst du eine Vielzahl von Themen tagesaktuell und persönlich behandeln. Die sogenannte Nachricht im Film hinterlegt eine Sprechstimme mit Videobildern, die eine meist kurze, faktenorientierte Nachricht illustrieren. Ein Imagevideo transportiert eine politische oder werbliche Botschaft. Mit einem Video von deiner Aktion für die Verkehrswende kannst du andere Menschen inspirieren und zeigen, dass Engagement Spaß macht. Ein Klassiker unter den journalistischen Videoformaten ist das Feature, das immer ähnlich aufgebaut ist – wie, hat der YouTuber Martin Giesler hier dargestellt.
2 –Software
Auf den meisten Smartphones sind bereits sehr gute Kamera-Apps mit Videofunktion vorinstalliert. Der Blick auf andere Apps könnte sich aber lohnen, da sie mehr Einstellungsmöglichkeiten für Bild- und Tonaufnahme bieten und beispielsweise besser mit externen Mikrophonen kommunizieren. Für das iPhone gibt es da unter anderem die Apps Filmic Pro und Movie Pro. Smartphone-Regisseure mit Android auf dem Gerät drehen ihre Videos auch gerne mit Cinema FV 5. Selbstverständlich gibt es noch andere geeignete Software für den Videodreh. Am besten recherchierst du selbst ein bisschen und entscheidest dich für ein System, das dir passt.
3 – Hinweise zum Dreh
Über die Regeln zum Videodreh gibt es Literatur als Meterware. Wer will, kann sich damit eindecken und erst einmal studieren. Für die Ungeduldigen möchten wir aber auf zwei oder drei Dinge hinweisen. Zunächst: Wie viele Menschen kennst du, deren Augen vertikal übereinander liegen? Bei den meisten sitzen die Augen im Querformat im Gesicht. Halte dein Smartphone beim Drehen daher auch im Querformat und zwinge die Leute nicht dazu, ihren Kopf zu verrenken, wenn sie sich dein Video auf dem Monitor ansehen. Kann schon sein, dass Hochformatvideos zum Beispiel für eine Instagramstory üblich sind. Dann nur zu, du wirst wissen, was du tust. Aber für alle anderen Videoformate gilt: Horizontal statt vertikal! Außerdem solltest du vor dem Dreh darauf achten, dass dein Smartphone genug Speicherplatz für deine Aufnahmen zur Verfügung hat. Und nicht zuletzt: Versetze dein Handy in den Flugmodus. Nichts ist ärgerlicher, als wenn Mutti, dein Steuerberater oder dein letztes Date mitten in der Aufnahme anruft. Du willst ja niemandem das Gefühl geben, gerade zu stören, oder?
4 – Equipment für den Dreh
Damit du mit deinem Smartphone komfortabel drehen kannst und es für weiteres Kamerazubehör kompatibel ist, bietet sich eine Halterung mit sogenanntem Kleinen Fotogewinde (1/4 Zoll) an. Beispielhaft – nicht als explizite Empfehlung gedacht – sieht das so aus. Willst du ruhige Standbilder drehen, hilft dir ein Dreibeinstativ mit 1/4-Zoll-Schraube, auf das du dein Handy samt Halterung schrauben kannst. So ein Stativ findest du in Elektronikläden, Fotogeschäften oder mit etwas Glück auch auf dem Flohmarkt. Wenn du deine Handykamera flexibel bewegen, aber verwackelte Bilder vermeiden willst, ist eine Klappbare Blitzschiene sinnvoll. Das Smartphone lässt sich darauf befestigen und durch den Griff an der Seite bekommen deine Hände beim Dreh mehr Stabilität. Das Problem ist: Wenn es um Equipment und Zubehör zum Videodreh geht, kommt man schnell vom Hundertsten ins Tausende. Am besten ist, du begibst dich selbst in die Recherche und entscheidest je nach Bedarf, was dir für deine Videos helfen könnte.
5 – Licht und Ton
In den meisten „modernen“ Handys sind bereits sehr leistungsfähige Mikrophone eingebaut, die die Atmosphäre bei einer Aktion sehr gut einfangen. Doch gerade für das gesprochene Wort kann eine gute Tonqualität dein Video enorm aufwerten. Bei Interviews in geschützten Räumen und mit etwas Zeit für die Vorbereitung bieten sich Lavaliermikros an (Achtung: Kompatibilität mit Handys sicherstellen!). Die klemmt man an das Revers oder die Bluse des*der Interviewten. O-Töne auf der Straße sammelst du dagegen besser mit einem Reportermikro, das du den Passanten direkt unter die Nase halten kannst. Das Beispielvideo ist ohne externes Mikrophon entstanden. Man versteht die VCD-Pressesprecherin ganz gut – aber nur bis der verkehrspolitische Sprecher des VCD plötzlich mit dem Megaphon dazwischenfunkt. Bei diesen dunklen Lichtverhältnissen haben wir übrigens eine zusätzliche Fotoleuchte auf die Blitzschiene des Smartphones geklemmt.
Das Beispielvideo findest du auf Youtube.
6 – Einstellungen und Gestaltung
Probiere ein bisschen mit den Bildausschnitten für dein Video herum. Du kannst dich in verschiedenen Einstellungen austoben – von Totale über Amerikanisch und Halbnah bis zum detaillierten „Italian Shot“. Eine gute Orientierung ist außerdem die Rule of thirds oder Drittel-Regel: Ziehe in Gedanken zwei waagerechte und zwei senkrechte Linien durch das Bild, sodass neun gleichgroße Teile entstehen. Richte jetzt dein Smartphone so auf das zu filmende Motiv aus, das es etwa in einem der Schnittpunkte liegt oder entlang einer der Linien positioniert ist. In Anlehnung an den Goldenen Schnitt entfaltet das Hauptmotiv in diesen Bildproportionen die beste Wirkung. Viele Kamera-Apps bieten die Funktion an, die Drittellinien direkt auf dem Bildschirm anzuzeigen. Interviewst du jemanden, lass ihn*sie in einer der Vertikallinien stehen und in den größeren Teil des Bildes hineinsehen. So fällt er*sie nicht nach vorne aus dem Bild und erhält genug „visuellen Resonanzraum“ für seine*ihre Worte.
7 – Schneiden
Für das Handy gibt es inzwischen sehr gute Schnittprogramme mit großem Funktionsumfang. Eines, das es sowohl für Android als auch für iOS gibt, ist Kinemaster. Du kannst es dir mit allen Funktionen kostenlos herunterladen, ausprobieren und Videos ausspielen. Besorgst du dir die Bezahlversion, verschwindet auch das Wasserzeichen „Made with Kinemaster“ aus deinen exportierten Videos. In dieser App lassen sich verschiedene Videoclips zusammenfügen, trennen, Übergänge zwischen Schnitten definieren, Texte und Musik sowie ein Voiceover hinzufügen. Hier kommt es oft auf die Feinabstimmung zwischen Bild und Ton an, damit das Video wie aus einem Guss rüberkommt.
8 – Verbreiten
Wenn du dein Video fertiggestellt und aus dem Schnittprogramm exportiert hast, kannst du es auf „deinen Kanälen“ teilen und verbreiten: auf Facebook, YouTube oder deinem Blog. Und wenn dein Video die Geschichte erzählt, wie jemand sich die Straße zurückerobert hat, dann schick es uns doch gern an kommunikation@vcd.org und wir veröffentlichen es vielleicht auch hier!
Rechtliche Fragen
Bei der Produktion und Verbreitung von Videos ergeben sich einige rechtliche Fragen, die nicht unerheblich sind. Betreffe es die verwendete Musik, Bildrechte, Persönlichkeitsrechte oder Genehmigungen für Drehorte.
Musik – „GEMA die Nutzungsrechte checken!“
Wer ein Musikstück erschafft, hat daran die Urheberrechte. Für dein Video musst du immer die Genehmigung vom Rechteinhaber einholen, bevor du es verwenden darfst. Bei Werken mit sogenannten Creative-Commons-Lizenzen sind nur bestimmte Rechte vorbehalten und du hast etwas mehr Spielraum. Wie du das Musikstück verwenden darfst, ist hierbei aber klar definiert. Wenn alle Rechte abgelaufen sind, weil beispielsweise der Urheber bereits länger als siebzig Jahre lang tot ist, ist das Musikstück gemeinfrei. Außerdem musst du beachten, dass GEMA-Lizenzgebühren anfallen, wenn du dein Video zum Beispiel nicht über YouTube, sondern einen eigenen Player auf deiner Website verbreitest. Wenn du dir unsicher bist, nimm am besten direkt mit der GEMA Kontakt auf.
Bildrechte – Wer hat’s gemacht und wer ist drauf?
Für Bilder und Videoclips gilt das gleiche wie für Musikstücke: Gehen sie nicht auf dich zurück, musst du dir ihre Verwendung vom Urheber genehmigen lassen. Zudem dürfen deine Bilder und Videos – auch die selbstproduzierten – nicht die Persönlichkeitsrechte dargestellter Menschen verletzen. Ist ein Mensch klar zu erkennen, brauchst du für die Verbreitung deines Videos auch deren Einwilligung. Die kannst du dir schriftlich oder direkt per Videoaufnahme holen. Die Persönlichkeitsrechte kommen dabei nicht zum Tragen, wenn Personen zum Beispiel nur als Passanten durch das Bild laufen, also „Beiwerk“ sind.
Hast du da grad mein Haus gefilmt?
Schließlich sind für bestimmte Drehorte besondere Genehmigungen erforderlich. Das gilt zum Beispiel für Privatwohnungen und öffentliche Gebäude. In einigen Bundesländern brauchst du auch bei Außenaufnahmen von historischen Gebäuden eine Erlaubnis, wenn du das Filmmaterial etwa für kommerzielle Zwecke nutzen willst.
Beachte bitte, dass wir hier keine Rechtsberatung anbieten.
Unsere Hinweise sollen Orientierung geben und sind ohne Gewähr und Rechtssicherheit.
Du solltest vor allem bei speziellen, individuellen Fragen einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin konsultieren.
Tipps & Tricks
- Tipp 1:
- CAMCORDER LEIHEN
Für manche Videos kann es sein, dass dein Handy doch nicht reicht und du eine professionelle Videokamera brauchst. Die kannst du dir auch beim Kameraverleih besorgen. Die Preise gehen oft schon bei 80 EUR pro Drehtag los. Suche einfach im Netz nach einem Kameraverleih in deiner Nähe. Beachte aber, dass die Vielzahl an Funktionen einer solchen Kamera zunächst etwas Zeit und Übung erfordern kann.
Links und Quellen
YouTube-Programm für gemeinnützige Organisationen mit Lektionen und Beispielen
https://www.youtube.com/intl/de/yt/impactlab/