VCD/Lea Gröger

Bürgersteige den Bürger*innen

Barrierefreiheit
Fußverkehr
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Sicherheit

Wie parkende Autos die Mobilität behindern - und was wir alle dagegen tun können

Einer fängt damit an und alle machen es nach: Parkende Autos auf Gehwegen prägen inzwischen vielerorts das Straßenbild. Für Rollstuhlfahrer*innen und Eltern mit Kinderwagen ist da kein Durchkommen mehr. Aber dürfen Autos überhaupt auf den Wegen parken? Bundesweit haben Initiativen begonnen, dagegen vorzugehen – mit Erfolg.

Von Lea Gröger (VCD), aktualisiert am 03. Mai 2023 von Emma Gollhardt (VCD)

„Ich bin damals in den VCD eingetreten, weil ich mit dem Kinderwagen nicht mehr aus der Haustür gekommen bin.“ Katharina Maas räumt ein Windlicht, Thermoskannen sowie Tassen aus ihrer Tasche und stellt alles auf eine Tischgarnitur. Die befindet sich heute mal nicht wie gewöhnlich im Garten, sondern auf einem Parkplatz in der Bremer Neustadt. Gemeinsam mit dem ADFC veranstaltet der VCD jedes Jahr im September den PARK(ing) Day und verwandelt Parkplätze in kleine öffentliche Stadtoasen.
„Die Kinder haben im Kiez auch gar keinen Platz mehr zum Spielen. Die parkenden Autos blockieren sämtliche Flächen!“ Sie deutet in eine kleine Nebenstraße des Buntentorsteinwegs. Dort parken auf beiden Seiten dicht an dicht Autos – jedoch nicht auf der Straße, sondern halb auf dem Gehweg. „Mit einem Kinderwagen kommst du da nicht mehr durch.“

Unwissen bei den Autofahrer*innen

Das Parken auf Gehwegen ist nicht nur in Bremen, sondern allgemein in deutschen Städten ein Problem. Viele Autofahrer*innen parken auf dem Bürgersteig, damit sie den Verkehrsfluss auf der Fahrbahn nicht behindern. In der Tat ist das Parken am Straßenrand nicht erlaubt, wenn dadurch die Fahrbahn auf unter 3,05 Meter geschmälert wird – genau die Breite, die Rettungsfahrzeuge benötigen. Gleichzeitig aber muss auch der Weg auf dem Bürgersteig in jede Richtung ungehindert begehbar sein. „Gehwegparken ist nur legal, wenn der Begegnungsverkehr zwischen Rollstuhlfahrern, Eltern mit Kinderwagen und Fußgängern dann immer noch möglich ist“, bestätigt Mathias Biemann, Vorstand des VCD Hessen, am Rande des Frankfurter PARK(ing) Day. Allzu oft setzen sich die Autofahrer*innen darüber hinweg, suchen sie doch händeringend nach einem Parkplatz. Vielen ist die Regelung nicht einmal bekannt. Und selbst die Ordnungsämter sehen regelmäßig über die Verstöße hinweg.

Wie dagegen vorgehen?

Immer mehr Bürger*innen wehren sich jetzt gegen diese Tatenlosigkeit. Bereits im Frühjahr 2016 hat sich der Darmstädter Verein »weGErecht« gegründet, der sich im Namen des Fuß- und Radverkehrs für die konsequente Durchsetzung der geltenden Regeln einsetzt.

»Parken auf Gehwegen ist kein Kavaliersdelikt, sondern für viele Menschen eine echte Gefahr und Einschränkung ihrer Mobilität«,

so Hans-Michael Hönig, Vorstandsmitglied von »weGErecht« und selbst Rollstuhlfahrer. Der Verein will es nicht länger hinnehmen, dass die Stadt geltendes Recht aufgrund des hohen Parkdrucks an vielen Stellen einfach ignoriert und kündigt an, für das Recht auf ungehinderte Mobilität auf den Bürgersteigen zu klagen.

Im Sommer 2020 dann der Erfolg: im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt konnte der Verein entscheidende Verbesserungen in der Wilhelm-Leuschner-Straße durchsetzen. Die Straße war bisher als Einbahnstraße auch für den Radverkehr in Gegenrichtung gesperrt und der westliche Gehweg zugeparkt. David Grünewald, der selbst im betroffenen Viertel wohnt und die Klage einreichte, konnte erreichen, dass sich die Stadt nach Einreichung der Klage auch ohne Urteil zur Übernahme der Verfahrenskosten und den notwendigen Änderungen verpflichtete.

Ein offener Brief für freie Gehwege in Darmstadt

Darüber hinaus hat sich in Darmstadt ein breites Bündnis von Initiativen gegen das Gehwegparken gebildet. In einem offenen Brief an den Verkehrs- und Nachhaltigkeitsausschuss der Stadt zeigten die Vereine auf, was mit autofreien Gehwegen alles möglich wäre: Die Menschen würden sich viel lieber draußen aufhalten und ihre Wege zu Fuß zurücklegen, sind sie dann doch besser auf dem Bürgersteig geschützt. Auch der geringere Schadstoffausstoß würde zu einer besseren Aufenthaltsqualität insbesondere in Wohngebieten beitragen. Kinder könnten auf den Gehwegen gefahrlos mit dem Fahrrad fahren. Ein konsequent durchgesetztes Parkverbot bringe zudem Einnahmen durch illegal parkende Fahrzeuge. Nicht zuletzt sind „autofreie Gehwege“ schon sprachlich eine Selbstverständlichkeit.

Kluges Parkraummanagement als Lösung

Die Verfasser des offenen Briefes können sich vorstellen, das Gehwegparken unter bestimmten Umständen vorerst zu tolerieren. Ein Verbot wollen sie aber in jenen Straßen durchsetzen, in denen kein hoher Parkdruck besteht, nachweislich viele Fußgänger*innen den Gehweg nutzen, ein Parkhaus in unmittelbarer Umgebung zur Verfügung steht, der Gehweg mit historischem Pflaster belegt oder eine Kita bzw. Schule in der Nähe ist. In Straßen mit hohem Bedarf an Parkplätzen darf die Antwort der Stadt nicht sein, die Regeln eigenmächtig zugunsten der Autofahrer*innen zu lockern. Stattdessen muss sie ein durchdachtes Parkraummanagement einführen und den Parkdruck zum Beispiel mit bezahlpflichtigen Stellplätzen und Konzepten für das Anwohnerparken steuern.

Dran bleiben

In Frankfurt am Main arbeitet der VCD mit der Universität Kassel zusammen, um den Falschparker*innen etwas entgegenzusetzen. Dort erhebt Dr.-Ing. Carsten Sommer, Leiter des Fachgebietes Verkehrsplanung und Verkehrssysteme, für eine Studie in verschiedenen Städten die kommunalen Kosten für Parkraum – doch ausgerechnet Frankfurt nimmt daran nicht teil. Mathias Biemann aber gibt nicht auf: „Wir arbeiten für eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in Frankfurt.“ Im September 2022 verfasste die VCD Regionalgruppe Rhein-Main daher auch einen offenen Brief und appellierte an die Frankfurter Stadtverordneten, sich mit der Einführung einer City-Maut zu befassen.

Dass es Hartnäckigkeit braucht gegen das Gehwegparken in der Stadt, darüber sind sich alle einig. In Bremen erzählt Katharina Maas von der VCD-Aktion „Richtig parken“. In einer Straße, in der das Falschparken schon selbstverständlich geworden ist, parkten VCD-Aktive einfach mal richtig. Die absurde Konsequenz: die richtig parkenden Autos ließ die Stadt abschleppen.

Erfolg in Bremen

Um das regelwidrige Gehwegparken zu beenden leiteten Bremer Anwohner*innen daraufhin rechtliche Schritte ein – und klagten erfolgreich gegen die Verkehrsbehörde. Diese hatte zuvor einen Antrag abgelehnt, „geeignete und wirksame Maßnahmen gegen das regelmäßige Gehwegparken“ zu ergreifen, und argumentiert, die Zuständigkeit hierfür liege bei Polizei und Ordnungsamt, das Einschreiten in ihrem Ermessen.

Doch diese Interpretation, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung vom 21. Februar 2023, ließ die Kläger*innen „faktisch rechtschutzlos“ zurück, obwohl das Gehwegparken laut StVO eine klare Ordnungswidrigkeit ist. Die Verkehrsbehörde ist nun zum Handeln verpflichtet, doch welche Maßnahmen sie ergreift um das Gehwegparken zu unterbinden bleibt ihr überlassen.

Trotzdem ist das Urteil eine wichtige Grundsatzentscheidung, da mit ihr erstmals juristisch festgestellt wurde, dass Anwohnende ein Recht darauf haben, dass gegen das Parken auf dem Gehweg vorgegangen wird.

Rechtsanwalt Olaf Dilling interpretiert das Urteil wie folgt:

»Mein Eindruck, dass die Entscheidung Fußgängerrechte stärkt, indem sie Drittschutz der Regeln über Halten und Parken annimmt und Leichtigkeit des Fußverkehrs als Schutzgut ausdrücklich anerkennt. Dass Gehwegparken rechtswidrig ist, wird i.Ü. vorausgesetzt. Insgesamt ist es eine Entscheidung, die Fußgängerrechte stärkt. Dass das Gericht nicht zu dem Ergebnis kommt, dass die Behörde (sofort) einschreiten muss, liegt daran, dass sie angesichts der stadtweiten Problematik annimmt, dass die Behörde ihre Tätigkeit priorisieren muss.«

Ihr wollt selbst aktiv werden?

Sowohl der Vorgang in Darmstadt wie auch das Bremer Urteil zeigen: der juristische Weg, wenn vielleicht auch erstmal abschreckend, hat große Wirkmacht. Bürger*innen haben ein Recht auf freie Gehwege, und Autos dürfen rechtlich zwar viel in Deutschland, aber auch nicht alles. Daher kann es sich lohnen, gegen Falschparker vorzugehen. Das Bremer Urteil wird von vielen Beobachter*innen als wegweisend eingeschätzt und könnte Anlass für einen veränderten Umgang mit parkenden Autos sein.

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