Wo Autos stehen, könnten Kinder spielen und Gemüsegärten wachsen!
von Yvonne Henning (VCD)
Worum geht es in eurem Buch? Warum ist es ein „Visionsbuch“?
Wir wollten ein Buch über die Verkehrswende machen und damit zeigen, wie viel lebenswerter Städte mit mehr Fuß- und Radverkehr werden können. Die Verkehrswende betrifft so viele Lebensbereiche und kann sie positiv beeinflussen: Straßen werden sicherer und grüner, die Bewohner und Bewohnerinnen gesünder und entspannter, Menschen fühlen sich wohler.
Die Frage, die wir uns mit unserer heutigen Verkehrspolitik stellen müssten, ist doch: Wo wollen wir hin? Wollen wir weiter in engen, stinkenden Städten leben, vollgestopft mit parkenden und fahrenden Pkw, in denen es mitunter lebensgefährlich ist, zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs zu sein? Oder wollen wir uns erlauben, weiter zu denken?
Anstatt unsere Städte so hin zu nehmen, wie sie derzeit noch sind, wollten wir zeigen, wie viel Raum es eigentlich für Visionen gibt und Argumente liefern für diesen Wandel. Wo jetzt noch Autos rumstehen, könnten stattdessen Kinder spielen und Gemüsegärten wachsen.
Interessant am Buch ist auch die Form. Neben vielen fachlichen Erkenntnissen, Zahlen und Fakten gibt es auch poetische Texte sowie bunte Fotomontagen und Illustrationen. Wie ist die Idee zum Buch entstanden? Bzw. warum und für wen habt ihr das Buch gemacht?
Wir wollten ganz viele verschiedene Menschen ansprechen und viele Perspektiven zusammenbringen indem wir Fakten und Studien aus Soziologie und Stadtplanung in verschiedene Geschichten verpacken. Die kann man sich auch merken und weitererzählen. Wir wollten einen Weg finden, die Verkehrswende auf eine bunte und fröhliche Art und Weise abzubilden. Gemeinsam mit den Lesenden steigen wir in eine Geschichte ein, die wie die meisten Geschichten mit einem Problem anfängt und dann gehen innerhalb der einzelnen Kapitel auf eine Reise, um Lösungen zu finden.
Was verbindest du persönlich mit dem Begriff „Verkehrswende“? Was bedeutet er in deinem Alltag?
Verkehrswende ist ja erst mal ein sehr abstrakter Begriff. Dabei betrifft er uns eigentlich alle jeden Tag. Denn jede und jeder ist ja fast jeden Tag irgendwie unterwegs. Die Frage der Mobilität ist ein Thema, dass uns allen in unserem Alltag eigentlich sehr nahe ist.
Als Kind hatte ich oft Angst im Straßenverkehr. Auf dem Weg zur Grundschule musste ich eine größere Straße ohne Ampel queren. Der schnelle Autoverkehr hat mir Angst gemacht. Ich habe oft lange am Rand gewartet und gewartet – bis mehrere Menschen vor der Kreuzung standen und ich sie dann gemeinsam mit den anderen überqueren konnte. Später bin ich auch nicht gerne mit dem Fahrrad in die Schule gefahren. Ständig hatte ich Angst, ein abbiegendes Auto sieht mich nicht oder irgendwo geht unerwartet eine Autotür auf. Jetzt kann man sagen, vielleicht war ich im Verkehr kein besonders mutiges Kind. Aber genau das ist der Punkt: Fahrrad fahren darf keine Mutprobe sein!
Für mich bedeutet eine Verkehrswende auch, dass Kinder auf dem Weg zur Schule keine Angst haben müssen, dass Straßen so gestaltet sind, dass sie selbstständig zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Welt entdecken können und dass Menschen vor allem in Städten, egal ob mit oder ohne Kinder, nicht vom Auto abhängig sind.
Ihr schreibt, dass jede*r selbst dabei mithelfen kann, dass unsere Städte lebenswerter werden. Wie könnte das denn z.B. aussehen?
Das tolle ist, dass es so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, sich für eine lebenswerte Stadt einzusetzen. Man kann sich politisch engagieren, aber auch einfach eine Baumscheibe bepflanzen. Man kann in der Nachbarschaft ein Straßenfest organisieren oder das eigene Auto stehen lassen und sich für das Rad oder die Bahn entscheiden. Dabei kann man erleben, wie viel Spaß es macht, sich aktiv zu bewegen, sich mit Gleichgesinnten zusammen zu tun und das dann wieder weiterzuerzählen. So wie wir das zum Beispiel mit unserem Visionsbuch gemacht haben.