VCD/Michael Schmiedel

Autofreie Städte?

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Ohne den Rückhalt der Bürger geht es nicht

Im Februar 2018 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig: Städte dürfen Fahrverbote verhängen, um die Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxide in den Griff zu kriegen. Bereits fünf Monate vor diesem Urteil diskutierten in Dresden auf einer Podiumsdiskussion Fachleute aus den Bereichen Verkehr und Umwelt mit den Bürgerinnen und Bürgern über autofreie Städte und Fahrverbote. Denn am Ende sind sie es, die hinter der Entscheidung stehen müssen: Wie viel Platz gestehen wir noch den Autos zu?

Von Lea Gröger (VCD)

An einem Dienstagabend Mitte September ließ sich in Dresden beobachten, mit welch großem Interesse Bürgerinnen und Bürger mitdiskutieren, wenn es um ihre Mobilität geht. Der VCD hatte im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche zu einer Diskussion über mögliche Diesel-Fahrverbote ins Dresdner Verkehrsmuseum geladen. Letztlich ging es aber um viel mehr: Wie muss die Mobilität in einer Stadt organisiert sein, damit wir gerne in ihr leben und weder uns noch die Umwelt gefährden?

Mobilitätspunkte für Dresden

Der Lichthof ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Vorne auf dem Podium sitzt Dresdens Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen unter Verkehrsexperten und beschreibt die Pläne der Stadt für die kommenden Jahre: „Wir wollen Mobilitätspunkte in Dresden schaffen — Orte, an denen verschiedene Dienstleistungen angeboten werden wie z. B. eine Ladesäule für E-Autos, Carsharing, ein Lastenrad-Verleih und vieles mehr.“ Statt auf Fahrverbote setzt Jähnigen auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen, angefangen bei der Förderung des Radverkehrs bis hin zu Tempolimits. Dass sich etwas ändern muss, steht für sie außer Frage:

»Die Atemwegserkrankungen in Dresden lassen sich eindeutig auf die Schadstoffbelastung der Luft zurückführen.«

Saubere Luft als oberstes Ziel

Mit in der Runde sitzt Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe. Sie stimmt der Umweltbürgermeisterin in vielen Punkten zu, möchte Fahrverbote aber nicht grundsätzlich ausschließen: „Es müssen verbindliche Aussagen in den Luftreinhalteplänen getroffen werden. Die Fahrverbote setzen nun mal unmittelbar an der Quelle des Problems an. Dennoch braucht es eine Vielzahl an Maßnahmen, vor allem einen starken und sauberen öffentlichen Nahverkehr.“
Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD, fügt hinzu: „Verkehr sollte sozial und umweltverträglich sein. Ziel sind nicht die Fahrverbote, Ziel ist saubere Luft. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich die Straße zurückzuerobern! Das kann zum Beispiel über eine angepasste Parkraumbewirtschaftung erreicht werden. Oft stehen die Anwohner dem erst skeptisch gegenüber, sind aber auch ganz schnell von den positiven Effekten überzeugt.“

Auch ohne eigenes Auto können wir gut leben

Nach einer Stunde kommen die Zuhörer zu Wort. Sogleich entfacht sich eine hitzige Diskussion zwischen den Verteidigern des Automobils auf der einen Seite und den Verfechtern der autofreien Stadt auf der anderen. „Das ist doch alles Quatsch mit dem Diesel!“, ruft ein Mann mit Motorradhelm unter dem Stuhl. Dann bekommt ein älterer Herr am anderen Ende des Lichthofs das Wort erteilt, steht auf und hält ein leidenschaftliches Plädoyer für die Verkehrswende:

»Die Innenstädte müssen wieder für Menschen gestaltet werden – autofrei und mit einer gut ausgebauten Radinfrastruktur.«

Am Ende versucht Gerd Lottsiepen die Gemüter zu beruhigen: „Wir wollen die Autos nicht per se verbieten, sondern kämpfen als VCD für die Freiheit, auch ohne eigenes Auto gut leben zu können. Wenn wir das erreichen, sieht die Welt besser aus als heute.“

Autofrei für einen Tag

Wie so eine Welt dann aussähe, konnten die Dresdner drei Tage zuvor am Autofreien Tag erleben. An dem Samstag wurde die Wilsdruffer Straße, die sich quer durch die Innenstadt zieht, für den Autoverkehr gesperrt. Verbände und Organisationen stellten Mobilitätsangebote vor, mit der eine autofreie Stadt möglich wäre. Der ADFC bot Probefahrten auf Lastenrädern an, die Dresdner VCD Ortsgruppe präsentierte eine Gondel von der Berliner IGA, um über eine mögliche Seilbahnstrecke über die Elbe aufs Messegelände zu informieren und der Verkehrsverbund Oberelbe stellte sein Projekt „PlusBus“ vor, das gerade für Pendler interessant sein dürfte, da hier feste Buslinien das Eisenbahnnetz ergänzen.
Außerdem hatten Besucher die Gelegenheit bei Bürgermeistersprechstunden mit Vertretern der Stadt ins Gespräch zu kommen. Kritiker und Befürworter einer autofreien Stadt konnten hier gleichermaßen ihre Sorgen und Wünsche loswerden.

Bürgerschaft einbeziehen

Lea Gröger/VCD

Klar ist: Ohne den Rückhalt der Bürgerinnen und Bürger wird die Verkehrswende nicht gelingen. Es ist daher unerlässlich, dass die Städte und Kommunen sie bei Veränderungsprozessen einbeziehen. Im Verkehrsmuseum dürfen die Dresdner am Ende der Podiumsdiskussion darüber abstimmen, wie sie zu Diesel-Fahrverboten stehen. Jeder wirft einen kleinen Styropor-Ball in eines von drei Gefäßen: gut, egal oder schlecht. Das Bild am Ende ist eindeutig: Während das grüne Glas der Befürworter bis zur Hälfte gefüllt ist, dümpeln am Boden des roten Glases mit der Aufschrift „schlecht“ nur ein paar wenige Kugeln herum.

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