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Das Freiraumwunder macht Platz!

Im Berliner Kaskelkiez war Anfang des Jahres 2020 Einiges los, denn eine ganze Nachbarschaft hat sich an die Arbeit gemacht, ein Stück Freiraum für ihren Kiez zu gestalten. Als Adaption eines Handwagens und Symbol für das Thema Flächengerechtigkeit steht das Freiraumwunder nun bereit für seine ersten Touren durch die Stadt.

von Kyra Hertel

Mehr Freiraum für die Nachbarschaft…

Mit diesem Wunsch nahm die Idee des Freiraumwunders dank einer Berliner Bürger*inneninitative in der Hauptstadt ihren Anfang. Mit dem Ziel, den öffentlichen Raum wieder zu einem Ort der Begegnung zu machen, wollte die Initiative auch in Berlin für mehr Platz für Menschen sorgen. Der Anstoß dafür kam aus Stuttgart, wo Gerhard Wollnitz schon seit einigen Jahren mit dem Kleinen Parkraumwunder unterwegs ist.

Das fertige Freiraumwunder, Freiraumwunder

Aber was ist das Freiraumwunder überhaupt? Das Freiraumwunder ist grundsätzlich ein Handwagen von der Größe eines PKWs. Doch statt öffentlichen Raum in reine Parkfläche zu verwandeln, demonstriert das Gefährt was sonst damit passieren kann. Durch eingebaute Sitz- und Aufenthaltsgelegenheiten bietet es ausreichend Raum für Begegnung und Austausch. Die Nachbarschaftsinitiative, die das Ganze auf die Beine gestellt hat, lernte sich durch ihr gemeinsames Engagement für eine nachhaltige Mobilität kennen. Damit das kleine Team, die Finanzierung nicht komplett aus eigener Tasche übernehmen müssen würde, starteten sie eine letztendlich sehr erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne.

Potentiale der Nachbarschaft nutzen

Der Ausstellungsraum, in dem das Freiraumwunder gebaut wurde, bot eine spontane Möglichkeit in der Nachbarschaft, eine öffentlichkeitswirksame Räumlichkeit zu nutzen. Die Fenster der Galerie im Kaskelkiez waren mit buntem Tape geschmückt – in großen Lettern konnte man beim Vorbeigehen Botschaften für mehr Flächengerechtigkeit sehen. Auch der geräumige Innenraum wurde von vielen helfenden Händen gefüllt. Bevor es richtig losgehen konnte, wurde jedoch vorher noch in der Werkstatt „HolzOma“ fleißig gesägt, zugeschnitten und abgepasst. Ein befreundeter Schreiner half, die großen Maschinen zu bedienen.

„Jede*r konnte sich einbringen, jede*r leitete den oder die andere*n an und alle haben ein bisschen was gelernt“, beschreibt Jennifer Hansen.

Die Arbeiten regten einen stetig wachsenden Zulauf aus der Nachbarschaft an. Verschiedene Anwohner*innen kamen und brachten benötigtes Werkzeug vorbei. Kinder spielten und spannen an Ideen zur Gestaltung mit. Sie konnten kleine auf Zettel gedruckte Freiraumwunder bemalen. Als Nebenprojekt entstand sogar ein kleiner Podcast rund um das Thema Flächengerechtigkeit. Dieser ist auf der Website zu finden. Ein Bekannter, der neben der Galerie wohnt, wollte schon immer mal eine Podcast-Reihe aufnehmen und hatte das technische Equipment parat. So lud er verschiedene Leute ein und tauschte sich mit ihnen über bestimmte Themen rund um das Freiraumwunder aus. Es ergab sich ein Zusammenspiel vielfältiger Fähigkeiten und Ideen.

Nachbarschaftliche Gemeinschaftsarbeit in der Galerie, Freiraumwunder/ Jupp Tautfest

Positive Entwicklungen für ein positives Zukunftsbild zulassen

Welches Potential sich in einer einzigen Nachbarschaft finden lässt und wie solche Initiativen dieses bündeln können, wird am Beispiel des Freiraumwunders deutlich. Diese Dynamik will das Freiraumwunder auch in den öffentlichen Raum tragen. Klar ist: Unsere heutigen Denkweisen darüber, wie wir den öffentlichen Raum für uns nutzen wollen, sind nicht in Stein gemeißelt. Eine Möglichkeit wäre es, ihn wieder mehr als Ort der Begegnung und des Austauschs zu denken. Das sei auch die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, erklärt Jennifer Hansen. Daher müssten wir uns die Frage stellen: Unter welchen Voraussetzungen kann der öffentliche Raum diese Qualitäten erfüllen?

Schaufenster der Werkstatt, Freiraumwunder

Genau an dieser Thematik dockt das Freiraumwunder an und schafft einen Raum, um über diese Voraussetzungen nachzudenken. Seine positive Botschaft und sein bunter Auftritt schaffen Irritation, und regen einen Dialog an, der möglichst viele Menschen miteinbindet. Das Freiraumwunder schafft diese Momente besonders durch spontane Happenings, die sich aus der Dynamik der Nachbarschaft ergeben, indem verschiedene Menschen mit verschiedenen Potentialen aufeinandertreffen und diese als gegenseitige Bereicherung zu nutzen wissen. Kurz: Das Freiraumwunder stellt einen konkreten Ort bereit, auf dem Menschen sich begegnen und ins Gespräch kommen. Damit macht es mögliche positive Entwicklungen direkt erlebbar. Irritation braucht es, um alte Muster aufzubrechen. Menschen entdecken so den geschaffenen Raum neu und sprechen über ihre unterschiedlichen Bedürfnisse, die diesen Raum besetzen können. Dafür wird das Freiraumwunder dort aufgestellt wo eine Parklücke ist.

Das Freiraumwunder im Einsatz

Durch all den Einsatz der Beteiligten ist das Freiraumwunder mittlerweile startbereit und macht in den Berliner Straßen „mit bunter Irritation“ auf sich aufmerksam. So war es schon auf unterschiedlichen Demonstrationen unterwegs wie z.B. zur Demo zum Autogipfel am 05. Mai 2020. Auch bei den in Berlin durch die Corona-Pandemie erforderlichen temporären Spielstraßen hat es regelmäßige Auftritte und erfreut Kinder wie Erwachsene mit seiner Anwesenheit. Auch Anwohner*innen oder Einzelhändler*innen können das kleine Gefährt nicht nur für sich nutzen, sondern auch Verantwortung für die Instandhaltung übernehmen. Letztendlich entsteht über der Umsetzung des Projektes eine Gemeinschaft, die zusammenwächst und Raum bietet für gesellschaftliche Teilhabe und einen offenen Diskurs.

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