Oft bekommen Städte menschliche Charakterzüge zugesprochen. Es ist eine freundliche Stadt, eine langweilige Stadt, eine dynamische Stadt. Wenn aber eine Stadt freundlich, dynamisch oder langweilig sein kann, kann sie dann auch arrogant sein? Der kanadisch-dänische Stadtplaner und Stadtmobilitätsexperte Mikael Colville-Andersen beantwortet das mit einem klarem JA.
Die autozentrierte Stadtplanung aus dem letzten Jahrhundert prägt noch immer die Städte von heute. Dem Automobilverkehr wird der meiste Platz eingeräumt, obwohl oft mehr Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV unterwegs sind – ziemlich arrogant. Das Foto unten aus Paris –aufgenommen vom Eifelturm – und die bearbeitete Variante rechts daneben verdeutlichen dies sehr gut. Die roten Flächen markieren die Straßenflächen, die blauen Areale sind Fußwege, die grauen Flächen sind quasi „tote“ Flächen, die ungenutzt sind, und die lila Flächen sind für Radfahrende. Insgesamt nutzen zum Zeitpunkt, als das Foto gemacht wurde, nur 23 Menschen in Autos die riesigen Straßenflächen. Gleichzeitig sind alleine 26 Fußgänger*innen auf der kleinen Mittelinsel eingepfercht. Hinzu kommen acht Radfahrende und weitere Fußgänger*innen auf den Fußwegen.
Wie ungerecht die Flächenverteilung ist, ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Immerhin wuchsen wir alle in einer Welt voll autozentrierter Städte auf. Mit seinem „Arrogance of Space Mapping Tool“ gibt Colville-Andersen die Möglichkeit, die ungerechte Flächenverteilung grafisch darzustellen. Auf der Webseite kann jede*r selbst Bilddateien hochgeladen und Flächen markieren. Das können eigene Fotos sein, aber auch offizielle Karten oder Satellitenbilder. Auf dem hochgeladenen Bild erscheint ein Raster mit Quadraten. Wie groß die Quadrate und wie transparent das Raster dargestellt wird, kann jede*r selbst entscheiden. Mit verschiedenen Farben können dann die Flächen nach Nutzungsform eingefärbt werden. Mit Rot werden etwa die Flächen markiert, die für Autos bestimmt sind. Durch die Markierung wird eindrucksvoll die ungerechte – beziehungsweise arrogante – Flächenverteilung in den Städten hervorgehoben. Nutzer*innen können dann das bearbeitete Bild mit semi-transparenten Kästchen, aber auch nur mit eingefärbten Kästchen, runterladen. Wir haben es selbst mit einem Foto vom Theodor-Heuss-Platz in Berlin getestet. Neben der visuellen Darstellung wird die Flächenverteilung auch prozentual angezeigt. Auf dem Foto stehen 58 % der Flächen dem Auto zur Verfügung, aber nur 9% dem Fuß- und 5 % dem Radverkehr. Wenigstens sind 27 % Grünflächen.
Das »Arrogance of Space Mapping Tool« ist auf Englisch und kann kostenlos genutzt werden. Den Link findet ihr hier: https://cyklokoalicia.sk/arrogance/
Ein Video von Mikael Colville-Andersen und »The Arrogance of Space« findet ihr auf YouTube unter folgendem Link: https://www.youtube.com/watch?v=CfXP6KOVBOY. Dort beschreibt er die Probleme der Stadtplanung, zeigt diverse Beispiele aus Städten wie Moskau, Kopenhagen und Sao Paulo auf und beschreibt seine Vision von einer flächengerechten Stadt.