VCD/ Lea Gröger

Weg frei für
Tempo 30

Fußverkehr
Radverkehr
Sicherheit

Warum den Städten eine Entschleunigung gut tun würde

Raumgewinn durch weniger Tempo – und das ohne Zeitverlust. Was wie ein physikalisches Paradoxon anmutet, ist eigentlich ganz einfach und bringt das Leben zurück auf die Straße: Tempo 30.

Von Lea Gröger (VCD)

Beim Bremer PARK(ing) Day im Buntentorsteinweg erzählt Peggy Diestelkamp von ihrer Online-Petition. Darin fordert sie für genau diese Straße eine Tempo 30-Zone: „Hier gibt es mehrere Kindergärten, eine Schule, betreutes Wohnen für junge Mütter, eine Senioren-Wohnanlage und eine große Behindertenwerkstatt.“ Sie zählt die Einrichtungen der Reihe nach an ihren Fingern ab und deutet dann die Straße hinunter. „Durch den fehlenden Fahrradweg sind viele unsichere Fahrradfahrer und Eltern mit Kindersitzen auf der Straße. Zusammen mit den Straßenbahnen und den parkenden Autos birgt das ein sehr hohes Unfallrisiko.“ In diesem Moment donnert eine Straßenbahn vorbei, als wollte sie Peggy Diestelkamps Worte unterstreichen. Die junge Frau nutzt den PARK(ing) Day, um für ihre Petition zu werben, damit sich endlich etwas ändert. Dabei stößt sie auf viele offene Ohren. Auch andere Bürgerinnen und Bürger wünschen sich mehr Tempo 30-Zonen in der Stadt:

»Schon seit Juni 2016 setze ich mich dafür ein, dass in einer Straße in meinem Kiez Tempo 30 eingeführt wird. Das wird jetzt wahrscheinlich zum wiederholten Male abgelehnt, obwohl dort viele Familien wohnen und ein Altenheim an die Straße grenzt«,

erzählt eine Anwohnerin, die ursprünglich aus Seattle stammt. Von ihrer nordamerikanischen Heimat sei sie es gewohnt, dass vor Schulen nicht mehr als 25 km/h gefahren werden darf.

Tempo 30 kann viel verändern

Der VCD fordert seit langem, dass Tempo 30 Basisgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften wird, denn nur so kommen die Vorteile von Tempo 30 voll zum Tragen. Der ständige Wechsel der Geschwindigkeiten und Staus machen den Straßenverkehr bei Tempo 50 oft unübersichtlich und unverständlich. Tempo 30 dagegen schafft Übersicht und sorgt für mehr Sicherheit. Es gibt weniger Stop-and-Go-Phasen und weniger Staus, sodass der Verkehr mit Tempo 30 sogar noch flüssiger und gleichmäßiger läuft. Durch den kürzeren Bremsweg müssen Autos nicht zuletzt einen geringeren Sicherheitsabstand halten und geben damit Raum auf der Straße frei – mehr Platz also für ökologische Verkehrsmittel und für Aufenthalt, Begegnung und Kultur. Tempo 30 trägt folglich zu mehr Lebensqualität in den Städten bei.

Andersherum wird ein Schuh draus

Bisher muss begründet werden, warum die Geschwindigkeit auf bestimmten Strecken oder in bestimmten Gebieten abgesenkt werden soll. „Die Forderung wird zum Beispiel in Wohngebieten oder vor Schulen häufiger akzeptiert als anderswo“, weiß Peggy Diestelkamp. Deshalb ist ihre Hoffnung groß, dass es bald auch im Buntentorsteinweg heißt: Runter vom Tempo! Hier rasen die Autos bisher mit bis zu 70 km/h an den Straßenbahnen vorbei, wissen die PARK(ing) Day-Besucher.
Um nicht mehr mühevoll Tempo 30-Zonen für einzelne Straßen beantragen zu müssen, wäre die Festlegung von Tempo 30 als Basisgeschwindigkeit die Lösung. Das würde das Prozedere umkehren: Autos dürfen dann nur dort schneller fahren, wo der Bedarf an einer höheren Geschwindigkeit nachgewiesen und sichergestellt werden kann. Dadurch müssen Kommunen nicht mehr den Großteil aller Straßen überprüfen und beschildern, sondern nur noch den kleineren Teil Hauptstraßen mit wichtiger Verbindungsfunktion. Das verschiebt den Fokus der Verkehrspolitik vom Auto in Richtung sicherer und komfortabler Mobilität für alle Menschen – egal, mit welchem Verkehrsmittel sie unterwegs sind. Die Städte müssen nur klar entscheiden, was für sie Priorität hat.

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